Die Wunderwelt des Asbest – Video von 1942

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Manchmal findet man auf Youtube ja regelrechte Perlen, und dieses Video ist wohl eine von den wirklich erlesenen. Es geht, wie unschwer zu erraten ist, um Asbest. Vielleicht muss man noch dazu sagen, dass dieses Video aus dem Jahr 1942 stammt, aber das dürfte manches in dem Video nur unzureichend erklären. Es geht nämlich weniger um die Gefahren von Asbest, sondern vielmehr um die zahllosen tollen technischen Anwendungen, welche die Wunderfaser ermöglicht. Bis hin zu unbrennbaren Tischdecken, damit Raucher nicht mehr so aufpassen müssen.

Faszinierend, welche Naivität hier im Umgang mit einem ausgewiesenen Gefahrstoff an den Tag gelegt wird. Zu sehen sind zahllose Näherinnen, die ohne jeglichen persönlichen Atemschutz feuerfeste Kleidung aus Chrysotilasbest zusammen nähen oder die Stoffe eben dafür zurecht schneiden. Eine Tätigkeit, bei der ohne jeden Zweifel Fasern freigesetzt werden. Und Asbestfasern in der Atemluft haben eine fatale Wirkung. Die einzelnen Asbestfasern sind nämlich so klein, dass sie die WHO Kriterien für lungengängige Fasern mit Leichtigkeit erfüllen. Als da sind eine Länge von mindestens 5 µm, ein Durchmesser von weniger als 3 µm und ein Längen-Durchmesser-Verhältnis von 3:1. Diese Geometrie ermöglicht es den Asbestfasern nicht nur, sehr lange in der Luft zu schweben, sondern auch, einmal eingeatmet, ein Eindringen in die Lungenbläschen. Bedauerlicherweise sind sie aber auf der anderen Seite zu groß, als das Makrophagen sie umschließen können. Damit werden sie nicht abtransportiert, sonder verbleiben in den Lungenbläschen, wo dann das Unheil seinen lauf nimmt. Die körperliche Reaktion auf den unerwünschten Eindringling und seine Resistenz führen zu einer Reihe von Krankheitsbildern, angefangen bei Asbestose bis hin zu Lungenkrebs, Lungenfellkrebs und Rippenfellkrebs. Das erhöhte Lungenkrebsrisiko ist für Raucher noch steigerungsfähig, um rund 10 % vergrößert sich das Risiko bei Asbestbelastung als Raucher gegenüber Nichtrauchern.

 

Dies ist der Grund, warum bei allen Arbeiten mit Asbest heute nicht nur eine Staubentwicklung tunlichst zu vermeiden ist, sondern auch das tragen einer entsprechend klassifizierten Atemmaske empfohlen wird.

Nun könnte man, grob gesagt, natürlich die unglaubliche Naivität im Umgang mit dem Gefahrstoff der zeit, eben 1942, anlasten. Klar, früher hat man einige Gefahren nicht so deutlich gesehen, wie heute. Aber in Bezug auf Asbest hätte man durchaus klüger sein können. Nein, das ist eigentlich falsch ausgedrückt. Man war eigentlich klüger. Immerhin war Asbestose seit 1900 bekannt. Und 1943, also nur ein einziges Jahr nach erscheinen der vermeintlichen Wunderwelt, wurde der Zusammenhang von Asbeststäuben und Lungenkrebs als Berufskrankheit anerkannt. Wenn ich mir also all die vielen Menschen im Film anschaue, die vollkommen ungeschützt an Asbest arbeiten, wird mir ziemlich schlecht und ich möchte eigentlich garnicht wissen, wie deren Geschichte weiter gegangen ist.

Eines macht der Film aber auf Anhieb deutlich. Es war dieser Glaube an die großartige Welt der Wunderfaser, welcher uns den Schlamassel mit dem Asbest eingebrockt hat.

Eine kleine bemerkenswerte Anekdote am Rande im Film möchte ich noch erwähnen. Der Film geht ähnlich wie es auch heute noch gerne getan wird, allem Anschein davon aus, das natürliche Fasern, und Asbest ist ja eine solche, den künstlichen vorzuziehen seien. Schließlich, so scheint der Sprecher implizieren zu wollen, kann doch ein so nützliches Naturprodukt nicht schädlich sein.

Doch, das kann es. Asbest ist ein sehr gutes Beispiel, wie sehr auch reine Naturprodukte schweren Schaden an der Gesundheit anrichten können.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

2 Kommentare

  1. In meiner Schule wurde noch in den 60er Jahren ganz unkritisch gelehrt, wie nützlich und praktisch doch Asbest ist – dass es da auch Probleme damit gibt, ist irgendwie untergegangen, jedenfalls ist mir nichts dergleichen in Erinnerung. Wenn Erkenntnisse dieser Art aufkommen, finden sie offenbar nicht selbstverständlich und von allein ihren Weg in die Schulen, sondern nur, wenn ausreichend viele engagierte Menschen “dahinter” sind.

    • Das Gerede von der “Wunderfaser” kam ja auch nicht von ungefähr. Die Materialeigenschaften sind ja auch faszinierend. Nur leider eben mit einem kleinen Haken…

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