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Der Killer im See, 21. August, Lake Nyos, Kamerun (CSI Geology #2)

Man stelle sich einmal die Situation vor. An einem Idyllischen See leben friedliche Menschen zufrieden ihr Leben. Sie gehen jeden Morgen an ihr Tagewerk, nicht ahnend, dass unter der ruhigen Oberfläche des Sees der Tod lauert. Wartet. Geduldig. Bis es eines Abends passiert. Lautlos schlägt er zu und 1700 Menschen fallen ihm zum Opfer. Bis in 27 Kilometer Entfernung ist niemand vor ihm sicher. Am nächsten Morgen herrscht eine gespenstische Stille an den Ufern. Keine Menschen, und auch keine Tiere sind zu sehen. Keine lebenden jedenfalls. Ein Szenario wie aus einem Horrorfilm möchte man meinen und will sich vielleicht wohlig gruselnd versichern, dass unter der Wasseroberfläche nichts unheimliches lauern kann.

Rind, getötet durch den Nyos-See. Photo by Jack Lockwood of the US Geological Survey. [Public domain], via Wikimedia Commons

Welch ein Irrtum. Denn dies ist kein Horrorfilm oder -roman. Genau dies ist passiert. Am 21. August um rund 21:30 lokaler Zeit in Kamerun, am Nyos-See. Der Anblick dürfte für die ersten lebenden Menschen, die nach der Katastrophe eintrafen, ziemlich grauenvoll gewesen sein. Tote Menschen und Tiere liegen überall herum. Doch keine Spur von dem zu finden, was sie umgebracht haben könnte. War es vielleicht ein Giftgasanschlag? Doch wer würde hier, mitten in Afrika in einer ländlichen Gegend Giftgas einsetzen? Was also hatte die Leute am See getötet? Und könnte es wieder zuschlagen?

 

Der Nyos-See, am 29. August 1986, rund 2 Wochen nach der Katastrophe. Foto United States Geological Survey (United States Geological Survey) [Public domain], via Wikimedia Commons

Die Antwort auf das Rätsel findet sich in der Geologie der Gegend. Dieser See ist ein Maarsee im Oku Vulkangebiet, unseren in der Eifel nicht unähnlich. Vor rund 400 Jahren entstanden hat er heute einen Durchmesser von rund 1800 m und eine Tiefe von 208 m. Es entstand vor rund 110 Millionen Jahren, als sich Afrika von Südamerika trennte. Dabei entstand nicht nur der Vorläufer des heutigen Südatlantiks, sondern auch verschiedene kleinere Riftgräben wie der Mbérégraben in Kamerun. Dieser Graben ist stellt einen Teil einer älteren, damals reaktivierte Störungszone dar, die sich als Pernambuco-Scherzone in Brasilien fortsetzt. Das Oku-Vulkangebiet gehört zur Kamerunlinie, einer kette von vulkanischen Erscheinungen, die sich über den Kamerunberg bis in den Südatlantik mit den Inseln São Tomé und Príncipe und Pagalu fort.

Doch auch wenn das Oku-Vulkangebiet als erloschen gilt, heißt das noch lange nicht, dass hier keine Aktivitäten mehr stattfinden. Unter Dem See, in rund 80 Kilometern tiefe, befindet sich nach wie vor eine Magmakammer. Und die hat es nach wie vor in sich. Denn Magma kann eine Menge Gase enthalten, die dann beim Abkühlen keinen Platz mehr finden. Und so steigen diese gase dann in Richtung Erdoberfläche auf und gelangen durch geologische Störungen in den See. Dieser ist vergleichsweise tief für seine Größe und er ist thermisch geschichtet. das heißt, das warmes Wasser an der Oberfläche über kaltem in der Tiefe liegt, und sich diese Schichten nicht nennenswert vermischen. Und hier nimmt das Unheil dann so langsam seinen Lauf. In einer Tiefe von 200 m herrscht ein enormer Druck von gut 20 bar. Das Wasser kann unter diesen Bedingungen gut 200 mal mehr Kohlendioxid speichern wie unter Oberflächenbedingungen. Das Ganze ist einer Sprudelflasche nicht ganz unähnlich. Unter dem hohen Druck einer verschlossenen Flasche perlt auch nichts aus. Aber wehe, die Flasche wird geöffnet. In der Natur reicht da schon ein kleines Ereignis wie ein leichtes Erdbeben oder ein Erdrutsch. Und tatsächlich ereignete sich im Januar 1986 Zusammenhang mit der Katastrophe ein Erdbeben der Magnitude 5. Es wäre aber auch ohne Probleme durch spontanes Ausgasen durch Übersättigung möglich. Jedes dieser Ereignisse kann die Schichtung des Wassers stören. Wenn dabei mit Kohlendioxid in höhere Regionen mit geringerem Druck und höherer Temperatur verfrachtet, wird es Druckentlastung übersättigt und Kohlendioxid perlt aus. Das Gas-Wasser-Gemisch ist leichter als Wasser und reißt weiteres, gesättigtes Wasser mit nach oben und der Prozess geht weiter. Eine stark geschüttelte Seltersflasche ist ein gutes Bild dafür.

Jetzt dringen größere Mengen Kohlendioxid, man nimmt gut 1,6 Millionen Tonnen an, aus dem Wasser und das Unheil nimmt seinen Lauf. Kohlendioxid hat mehrere fatale Eigenschaften. Es ist schwerer als Luft. Also sammelt es sich am Boden und fließt ähnlich wie eine Wasserflut entlang der Morphologie der Landschaft. Fatalerweise ist es auch noch unsichtbar und geruchlos und, das wichtigste von allem, nicht atembar. Die Gaswolke hatte eine Höhe von ca. 50 Metern und floss mit gut 50 km/h die Täler entlang. Und in den Tälern liegen zahlreiche Dörfer. Eine Konzentration von rund 5% in der Atemluft führt zu Bewusstlosigkeit. 8 % führen innerhalb kurzer zeit zum Tod. Die Menschen am See hatten also keine Chance, sie sahen es nicht kommen und sie konnten es nicht wahrnehmen. In der BBC-Dokumentation (unten, ca. 3:58) wird sehr anschaulich geschildert, wie ein Fahrzeug anhält, weil der Motor ausgeht. Der Fahrer steigt aus, um nachzuschauen was los ist und beugt sich über den Motor. Er ist der erste, der umfällt. Die anderen Menschen, die hinten und oben auf dem Pick-Up sitzen, wollen ihm helfen. Sie kommen ebenfalls um.

Lake Nyos ist nicht der einzige See, der so eine schreckliche Gefahr beinhaltet. es gibt noch 3 weitere Seen die man kennt. Alle in Afrika, der Manoun-See liegt ebenfalls in Kamerun, und der Kiwu-See in Ruanda.

Prinzip der künstlichen Entgasung des Nyos-Sees. By Pashute (Own work) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

Als man erkannt hat, welche Gefahren in dem Wasser lauern, wurden die Anwohner evakuiert. Noch heute leben rund 12 000 Opfer und deren Nachfahren in Lagern. Ob sie zurück in ihre Dörfer können, ist immer noch ungewiss. Man versucht aber, der Gefahr Herr zu werden. Ein Team um den französischen Vulkanologen Michel Halbwachs führte ein Rohr in die tieferen Schichten um eine kontrollierte Entgasung zu starten. Zu Beginn förderte eine Pumpe gesättigtes Tiefenwasser in das Rohr. Beim Aufstieg perlt das Kohlendioxid aus und treibt das Wasser nach oben, wobei weiteres Tiefenwasser mitgerissen wird. Je höher das Wasser aufsteigt, desto mehr Gas perlt aus und schließlich steigt das Wasser-Gas-Gemisch als 40 m hohe Fontäne aus dem See. Das schöne an der Sache ist, dass der Vorgang, einmal per Pumpe in Gang gebracht, auch ohne weitere Unterstützung der Pumpe in Gang bleibt. Eine Webcam zeigt die Fontäne. es besteht die Hoffnung, dass man mit Hilfe des Rohres die CO2-Konzentration im See soweit absenken kann, dass sich vergleichbare Katastrophen in der Zukunft nicht mehr ereignen können. Doch auch wenn das Rohr gut die doppelte Menge CO2 entfernt wie im gleichen Zeitraum in den See eingebracht werden, würden doch mehrere Rohre benötigt, um das Ziel in brauchbaren Zeiträumen zu erreichen. dafür ist aber leider nicht genügend vorhanden.

Fontäne im Nyos-See. By http://pagesperso-orange.fr/mhalb/nyos/ (Transferred from en.wikipedia) [see page for license], via Wikimedia Commons

Der Nyos-See beherbergt auch noch eine weitere Gefahr. Ein natürlicher Damm schließt den See ab, von dem niederländische Experten fürchten, dass er in den nächsten 5 Jahren brechen könnte. Die Flut könnte eventuell bis nach Nigeria reichen.

 

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